Ethologische Gesellschaft und Tierversuche

Tierversuche Seite – Wissenschaftlerin arbeitet mit einer Graugansschar


Wir erforschen das Verhalten von Tieren sowohl in ihrer natürlichen Umwelt als auch in menschlicher Obhut. Dabei interessieren wir uns für freilebende Tiere genauso wie für Labor-, Zoo-, Haus- oder Nutztiere. Bei unseren Forschungsansätzen achten wir auf eine tiergerechte Haltung und einen schonenden Umgang mit Tieren. Dies ist uns nicht nur aus Tierschutzgründen ein Anliegen, sondern wir betrachten es auch als eine Grundvoraussetzung für gute wissenschaftliche Praxis, die uns ermöglicht, Tiere und ihr Verhalten besser verstehen zu können.

Wir begrüßen das große gesellschaftliche Interesse an Tierwohl- und Tierversuchsthemen und halten die Diskussionen diesbezüglich für sehr wichtig. Tierversuche befinden sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen dem Erkenntnisgewinn und Tierschutz. Oftmals wird Erkenntnisgewinn in diesem Kontext mit der Übertragbarkeit des Wissens auf den Menschen gleichgesetzt. Auch wenn dies im Rahmen biomedizinischer Fragestellungen häufig im Vordergrund steht, werden Tiere nicht bei allen Tierversuchen als Modell für den Menschen eingesetzt. Tierversuche werden auch im Rahmen verhaltensbiologischer Grundlagenforschung und angewandter Tierschutzforschung durchgeführt, um Erkenntnisse über das Verhalten von Tieren und ihre Ansprüche an die Umwelt zu gewinnen. Tierschutz und Erkenntnisgewinn sind somit nicht zwangsläufig entgegengesetzte Pole eines Kontinuums. Da im Sinne des Tierschutzgesetzes „alle Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere verbunden sein können“ als Tierversuch eingeordnet werden, gehören auch Versuche mit nur geringen Belastungen für die Tiere dazu, wie z.B.  das Beobachten von Tieren in einer unvertrauten Umgebung zur Bestimmung von Ängstlichkeit, Blutabnahmen zur Verwandtschaftsbestimmung oder individuelle Markierungen mittels Transponderchips. In der Schweiz gelten Behandlungen zu Versuchszwecken an Tieren sogar dann als Tierversuche, wenn sie nicht mit Belastungen verbunden sind. Viele verhaltensbiologische Studien werden daher als Tierversuche eingestuft, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht dem „gängigen Bild“ eines Tierversuchs entsprechen.  Das primäre Ziel unserer Forschung ist der Erkenntnisgewinn. Um diesen zu garantieren müssen Versuchsergebnisse aussagekräftig und reproduzierbar sein, was eine hohe wissenschaftliche Qualität der Versuche voraussetzt. Dies erfordert nicht nur ein adäquates Versuchsdesign und eine ausreichende Stichprobe, sondern auch eine möglichst geringe Belastung der Tiere durch die Versuchsbehandlungen. Daher sind wir bestrebt unsere Methoden fortlaufend zu optimieren, um den Erkenntnisgewinn zu maximieren und die Belastung der Tiere zu minimieren.

Die Stärke der Verhaltensbiologie liegt darin, konzeptionelle und methodische Ansätze zu liefern, die eine wissenschaftlich fundierte Erforschung des Tierwohls und die Entwicklung tiergerechter Haltungs- und Managementverfahren überhaupt erst ermöglichen. Dies beinhaltet fächerübergreifende Versuchsansätze unter Einbezug des Verhaltens, der Physiologie und der Genetik. Damit liefern wir biologisch fundierte und tierbasierte Grundlagen zur Beurteilung des Wohlergehens von Tieren. Denn Tierschutz ist als Anliegen zwar ethisch, d.h. von uns Menschen her begründet. Was Tiere zu ihrem Schutz brauchen, ist hingegen biologisch, d.h. von den Tieren her zu begründen. Unser Ziel ist deshalb insbesondere, objektive Rückschlüsse auf das Wohlergehen von Tieren zu ermöglichen und dabei sowohl artspezifische Aspekte, als auch individuelle Erfahrungen der Tiere zu berücksichtigen.

Das Thema Tierversuche ist emotional sehr aufgeladen. Unser erkenntnisgeleiteter Ansatz kann jedoch zu einer Versachlichung der Auseinandersetzung führen. Dazu trägt  eine offene Kommunikation und Transparenz im Umgang mit Tierversuchen bei. Davon erhoffen wir uns auch ein Verständnis für die Notwendigkeit von Tierversuchen in der Verhaltensbiologie. Nur so können wir weiterhin qualitativ hochwertige wissenschaftliche Erkenntnisse erzielen, um den Tier- und Artenschutz voranzutreiben und das Wohlergehen von Tieren in menschlicher Obhut zu verbessern.


Falls Sie das Thema interessiert, empfehlen wir Ihnen diesen Podcast, in dem unsere ehemalige Geschäftsführerin Prof. Helene Richter Wohlergehen, Tierschutz und Reproduzierbarkeit in der tierexperimentellen Forschung ausführlich bespricht.